
DESIRO Mainline II - Teil 2: Innenraum
Nach den technischen Daten des Mainline II folgt das, was der Fahrgast sieht, wenn er einsteigt und mitfährt.
In puncto Reisekomfort ist der Triebzug ein wahrnehmbarer Fortschritt. Allein grundsätzlich ist ein Nahverkehrsfahrzeug natürlich nicht mit einem Fernreisezug vergleichbar, es hat ganz andere Aufgaben, und Reiselänge und -dauer sind viel kürzer als bei einer Fernfahrt. Wichtiger sind ein schneller Fahrgastwechsel durch viele und breite Türen sowie ein gutes Beschleunigungsvermögen.
Auch die Beförderungskapazität ist ein wichtiges Kriterium. Selbstverständlich möchte sich niemand als Ölsardine fühlen, andererseits aber zu bestimmten Zeiten viele Leute mitfahren. Das ist ein Spagat. Im Mainline II wurde er annehmbar gelöst; die höhere Zahl der Sitzplätze wurde durch die langen Wagenkästen und eine überwiegende Reihenanordnung der Sitze erreicht. Es gibt nur noch vereinzelt Vierer-Sitz-Gruppen; damit reduzieren sich auch die versauten Polster durch daraufgelegte dreckige Schuhe

Dennoch kommt der Komfort nicht zu kurz, im Gegenteil. Der Triebzug ist mit Polstersesseln ausgerüstet; das sind keine stoffbezogenen Plastikplatten. Die Traktionsstromrichter wurden besser gebaut als noch vor 10 Jahren und arbeiten nahezu lautlos. Das bekannte Antriebsheulen der jetzigen Triebwagen, welches jenen zum Beinamen "Quietschie" verhalf, gibt es nicht mehr. Abrollgeräusche des Laufwerks sind durch gute Schalldämmung und Lagerung des Wagenkastens auf dem Luftfederbalg aus Gummi nur noch minimal zu hören. Die größte Geräuschquelle ist der Luftpresser unter Endwagen A - beziehungsweise das scheppernde Handy der Nervensäge im Nachbarsitz

Genug der Vorrede, ab durch die Mitte - ein Gang durch den gesamten Zug:

Der Blick geht aus der Tür von Führerraum 1 durch den Gang. Hach, diese Länge....



Der Mehrzweckraum des Endwagen A. Dieser Bereich ist für Fahrräder, Kinderwagen, Rollstühle oder ähnliches vorgesehen.

Detailaufnahme: Klappsitze am Rand, Haltegurt für Fahrräder, Sitzgruppe mit viel Platz für Gepäck.

In den Pausen nutzte ich die Gelegenheit für den Selbstversuch und nahm längere Zeit an verschiedenen Stellen Platz. Die Polster erscheinen vielleicht anfangs etwas hart, aber das sind sie nicht. Der Sitzkomfort ist gut. Außerdem soll das Gestühl einige Jahre halten; es würde niemanden erfreuen, wenn die Polster bereits nach vier Wochen labberig durchgesessen wären.
Hier sitze ich in der Reihenbestuhlung und lese im Fahrerhandbuch. Man erkennt die Polsterauflage der Sitzfläche und die hochgezogene Rückenlehne mit integrierter Kopfstütze. Der Sitzabstand ist akzeptabel; ich bin durchschnittlich groß (1,76 m) und kann die Beine nach vorne ausstrecken.

Ein weiteres Experiment, diesmal im Doppelsitz einer Vierer-Gruppe: Schauermärchen werden dort nicht zur Wirklichkeit. Und nein, bei den beiden handelt es sich nicht um schmächtige Jünglinge der Sorte "Strich & Landschaft", sondern um gestandene Männer im besten Alter. Vielen Dank an die Kollegen für ihre Hilfsbereitschaft


Der Wellenbalgübergang aus Endwagen A in den Mittelwagen. Der Übergang ist stufenlos und bis auf den Fußbereich breiter als der Mittelgang. Auch mit Gepäck wird der Durchgang nicht zum Spießrutenlauf.

Die Fußbodenhöhe beträgt in den Einstiegsräumen und im Fahrgastraum dazwischen 800 mm ü. SO. In den Bereich über den Drehgestellen steigt der Boden auf einer 700 mm langen Rampe um 90 mm an. Ausnahmen sind die beiden Sitzbereiche direkt hinter den Führerräumen; dort befinden sich zwei flache Stufen.
Die Sitze stehen zwischen den Einstiegen direkt auf dem Boden, über den Drehgestellen auf niedrigen Podesten.

Mit viel Weitwinkel: die Tür. Elektrisch angetrieben, doppelflügelig, 1,30 m breit. Seitenselektive Freigabe nach Halt. Automatische Schließung 10 Sekunden nach Durchgang der letzten Person, Zwangsschließung möglich.
Außen ist ein gelber Streifen sichtbar; dies ist der Rand des Schiebetritts. Vor dem Schließen blinkt eine rote Warnleuchte auf, und es ertönt ein Warntongeber. Wer dieses Piepsen überhört und von der schließenden Tür berührt wird, hat seine Eisenbahnuntauglichkeit hinreichend bewiesen und geht besser zu Fuß - bzw. erst gar nicht aus dem Haus


Das Mittelteil des Mittelwagens - hier wurden die Sitze asymmetrisch eingebaut: links direkt Reihenbestuhlung, rechts zunächst eine vis-à-vis-Anordnung. Am anderen Wagenende ist es dann umgekehrt. Beide Sitzreihen stehen dadurch versetzt zueinander; die Regelmäßigkeit wird etwas aufgelockert.

Dieser Blick führt aus dem Endwagen B zurück in die Richtung, aus der wir bisher kamen.

Zwischen den Türen des EW B liegt der andere Mehrzweckraum sowie die Toilette.

Das WC ist behindertengerecht gestaltet und sehr groß. Papierhandtücher gibt es nicht, stattdessen ein Heißluftgebläse.

An der Seite befindet sich ein ausklappbarer Wickeltisch.

Der letzte Einstiegsraum ist erreicht, die Tür zu Führerraum 2 in Sicht. Hier erkennt man die vorhin angesprochenen Stufen zum Bereich über dem Drehgestell. Stolpern kann bei der vorhandenen "Kriegsbemalung" allerdings niemand.
Die quietschegelbe Farbe steht im Zusammenhang mit aktuellen Schutzvorschriften. Bestimmte Bauteile wie Handgriffe oder Bereiche wie Stolperfallen müssen auffällig gekennzeichnet werden. Na ja, unsere Bürokraten wollen ja auch was zu tun haben....


Dies ist die 1. Klasse im ML II. Ihre Größe wurde wohl vom Aufgabenträger festgelegt. Ich habe allerdings in Nahverkehrszügen bisher noch nie eine nennenswerte Auslastung dieser Bereiche bemerkt.
Hier sieht man eine Auswirkung der heutzutage typischen Wirtschaftskrankheit "Just-In-Time", unter der auch die Bahnindustrie zu leiden hat: die vorgesehene Trenntüre wird nachgeliefert.
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Hinter der undurchsichtigen Tür mit Knauf sieht es dann wieder genauso aus wie im Führerraum auf der anderen Seite. Unser Durchgang durch den DESIRO Mainline II findet nach knapp 70 Metern ein Ende.
Demnächst beginnen die Ausbildungsfahrten für uns Tf; der Fahrgastbetrieb wird erst zum Fahrplanwechsel aufgenommen. Die letzten 3 Wochen "Blümchen-Express" kommen bedauerlicherweise nicht in den Genuß der neuen Triebwagen. Das ist zwar schade, aber bis Dezember ist es ja nicht mehr lange - und dann darf jeder Interessierte selbst Platz nehmen.
Ich wünsche allseits ein schönes Wochenende
