[OT] Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

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eta176
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[OT] Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von eta176 »

Die für mich nicht nachvollziehbare Aussage zu einer Mittelrhein-Querung hat mich zu einer kritischen
Stellungnahme veranlasst, die ich heute als Leserbrief an die RZ gesandt habe:

Mit zweifelhaften Zahlen und Prognosen ist es der von der IHK beauftragten Landesregierung offenbar gelungen,
dem internationalen Rat für Denkmalpflege Sand in die Augen zu streuen. Blauäugig glaubt sie den Prognosen von
gerade einmal 1.000 zusätzlichen Fahrzeugen pro Tag, die jedoch nur zustande kommen, wenn man die derzeit
rund 4.000 täglich trajektierten Fahrzeuge aller fünf bestehenden Fährverbindungen zwischen Bingen und Boppard
als Grundlage nimmt. Die Schätzungen des LBM gehen bei einer festen Rheinquerung in St. Goar von 7.000 Fahr-
zeugen, bei einer Querung zwischen Fellen und Wellmich von 5.200 Fahrzeugen täglich aus.
Obwohl offiziell nur von einem "regionalen Verkehrsprojekt" die Rede ist, erklären die Vertreter der IHK und des
Rhein-Lahn-Kreises unisono in aller Öffentlichkeit die Bedeutung einer zukünftigen "Ost-West-Achse". Diese soll
von Luxembourg kommend über den Hochmosel-Übergang den Flughafen Hahn anschließen, um dann - dank der
Mittelrheinbrücke - ü?ber den Einrich die A3 und E44 zu erreichen. Doch dabei übersehen alle Protagonisten den
fehlenden Aufstieg zu den Hunsrück-Höhen. Nirgendwo im Bereich des Oberen Mittelrheintales gibt es eine
vergleichbare Verbindung, wie sie mit der B274 zwischen St. Goarshausen und Nastätten taunusseitig besteht.
Auf der Hunsrückseite ist weder in St. Goar über die Rheingoldstraße (L213), Gründelbach (L206) oder Schlossberg/
Pfalzfelder Straße (K100) eine entsprechend leistungsfähige Verbindung vorhanden oder zu schaffen, noch von
Oberwesel aus. Die Forderung von IHK-Hauptgeschäftsführer Podzun "schon vor dem offiziellen Start des Bau-
verfahrens Vorarbeiten zu leisten", kann nicht anders verstanden werden, als eine oder mehrere dieser Straßen
für den nicht abzuwendenden Schwerlastverkehr auszubauen.
Die Auftragsvergabe für die von der UNESCO verlangte zusätzliche Verkehrsanalyse dem Land zu übertragen
ist vergleichbar mit der Entscheidung, dem Verwalter der Waffenkammer auch noch die Schlüssel für die
Munitionslager zu übergeben. Die vorhersehbaren Ergebnisse stimmen in beiden Fällen wenig optimistisch.
Verluste für das "Welterbe" sind absehbar. Außer zwischen Bingen und Rüdesheim wird sich keine
Fährverbindung im Oberen Mittelrheintal mehr wirtschaftlich betreiben lassen. Für 40 Millionen Euro
könnten demgegenüber gleich mehrere 24 Stunden-Fährverbindungen auf Jahrzehnte finanziert und
eventuell notwendige Fähren gebaut werden.



Offenbar befürchten auch die Bürgermeister von St Goar und Oberwesel ein Verkehrschaos,
wie man heute RZ-online entnehmen kann:

Der Gedanke an neue Verkehrsströme treibt auch manchem entschlossenen Brückenbefürworter die Sorgenfalten
auf die Stirn. Eine Brücke am Rhein würde auch die Straßen im Hinterland belasten, die den zunehmenden Verkehr
zwischen A 61 und B 9 aufnehmen müssten.

Der St. Goarer Bürgermeister Walter Mallmann macht immer wieder darauf aufmerksam, dass die Asphaltpisten
im landschaftlich sensiblen Gründelbachtal ebenso wenig wie die anderen Wege über die Stadtteile als Zufahrt
taugen, sollte sich ein Brückenstandort bei St. Goar durchsetzen. In gleicher Weise sieht es sein Amtskollege
in der Nachbarstadt Oberwesel, der genau weiß, dass die Chablisstraße und die Landesstraße durch den Stadtteil
Engehöll als Querverbindung nun umso mehr ins Spiel kommen: "Wenn man von den Straßen in St. Goar spricht,
muss man auch sagen, dass die Straßen in Oberwesel ganz erheblich belastet würden", so Manfred Zeuner.
Er fordert eine zeitige Lösung, und der Ansatz müsse dabei lauten: "Wie kommt man am besten auf den Hunsrück,
ohne dass der Verkehr durch unsere Stadt geht?"


Vielleicht sieht ja auch der ein oder andere Foren-User die Maßnahme kritisch und greift zur Feder ...

Für den vielen Text entschuldigt sich
Hans-Peter
eta176
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Re: [OT] Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von eta176 »

Nach der Entscheidung des Welterbe-Komitee in Sevilla schreibt die RZ:

Mittelrheinbrücke: Opposition kritisiert, Hering sondiert - Protokoll der Sitzung

Dass die Unesco "nach dem ganzen Prozess noch kategorisch Nein zur Brücke sagt", hält Hering für undenkbar.

Dies sieht der Präsident der Deutschen Burgenvereinigung, Alexander Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Sayn, aber ganz
anders. Er geht eher davon aus, dass die Unesco in letzter Konsequenz keine Brücke im Mittelrheintal duldet. Er hat
in einem Gastbeitrag für unsere Zeitung schon vor einem Fährensterben gewarnt und gefordert, ihre Bedeutung für
den Tourismus und die Kulturlandschaft intensiver zu beleuchten. Deshalb fühlt er sich vom Welterbekomitee auch
bestätigt. Nach seiner Meinung muss das Rheintal ganz auf die Karte "Qualitäts-Tourismus" ohne Lärm und Abgas-
gestank setzen. Dass Icomos als Berater aufgewertet werde, begrüßt der Präsident. Icomos habe allerdings das
Gefühl, dass die Landesregierung ihr das komplette Umweltgutachten vorenthalte und schöne.


Logischerweise habe ich hier nur den mir wichtigen Passus zitiert :P

Die ganze Meldung findet ihr dort:
http://rhein-zeitung.de/on/09/07/01/rlp ... 86612.html

Als Ergänzung noch dieser "Themen"-Bericht der RZ:
http://rhein-zeitung.de/on/09/05/05/rlp ... 251.html?a
eta176
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Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von eta176 »

Der Lokalteil der "Rhein-Hunsrück-Zeitung" veröffentlicht am 10.11.2010
ein Interview mit Staatssekretär Siegfried Englert:

Land bekräftigt Position:
Mittelrheinbrücke mit Welterbe vereinbar


Besonders krass (und ignorant) finde ich die Antwort auf nachfolgende Frage:

Die Bürgerinitiative Rheinpassagen fordert als Alternative für die Brücke
einen von der öffentlichen Hand finanziell geförderten 24-Stunden-Betrieb
der Fähren. Wäre das nicht die bessere Lösung, auch angesichts der Befür-
chtung, eine Brücke würde die Existenz mehrerer Fähren vernichten?


Fähren konnten in der Geschichte der Menschheit noch nie das leisten, was
Brücken zu leisten imstande sind.


Das ganze Interview

Besonders interessant auch der (leicht versteckte) Kommentar zu diesem Artikel:
http://www.rhein-zeitung.de/forum/showthread.php?t=1995
.
christoph
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Re: Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von christoph »

eta176 hat geschrieben:Besonders krass (und ignorant) finde ich die Antwort auf nachfolgende Frage:

Die Bürgerinitiative Rheinpassagen fordert als Alternative für die Brücke
einen von der öffentlichen Hand finanziell geförderten 24-Stunden-Betrieb
der Fähren. Wäre das nicht die bessere Lösung, auch angesichts der Befür-
chtung, eine Brücke würde die Existenz mehrerer Fähren vernichten?


Fähren konnten in der Geschichte der Menschheit noch nie das leisten, was
Brücken zu leisten imstande sind.

was ist an der Aussage falsch. Fähren können einfach nicht dasselbe leisten wie eine Brücke. Die Wartezeiten an den Fähranlegern sind nervig, zeitraubend, nicht zeitgemäß. Für Touristen vielleicht eine schöne Sache, aber nicht für die Einwohner, die direkt im Tal wohnen.

Nicht umsonst gibt es am Rhein auch kein Trajekt-Verkehr mit Eisenbahnen wie früher mal in Bingen.
eta176
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Re: Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von eta176 »

christoph hat geschrieben: Fähren können einfach nicht dasselbe leisten wie eine Brücke. Die Wartezeiten an den Fähranlegern
sind nervig, zeitraubend, nicht zeitgemäß.
Für Touristen vielleicht eine schöne Sache, aber nicht für die Einwohner, die direkt im Tal wohnen.

Nicht umsonst gibt es am Rhein auch kein Trajekt-Verkehr mit Eisenbahnen wie früher mal in Bingen.
Hallo Christoph,
entschuldige bitte, aber einen solchen "Nonsens" hab ich lange nicht mehr gelesen!

Bei einem verstärkten Fährangebot - wenn es aufgrund der Nutzung notwendig wäre -
könnten die Wartezeiten z.B. zwischen St. Goar und St. Goarshausen halbiert werden.
A b e r: Wieviel schneller wird denn eine Rheinquerung für die "Einwohner im Tal", wenn
die Brücke gebaut ist und die Fähren in Kaub, Trechtingshausen und Boppard ihren Dienst
eingestellt haben? Gut, Du kannst dann beständig zig Kilometer zusätzlich durch Rheintal
fahren, aber letztendlich bist Du keinen Deut schneller auf der anderen Seite ... und hast
Dich aktiv an dem Niedergang einer jahrhundertealten Tradition beteiligt. Glückwunsch :cry:

Wenn es einen verkehrlichen Bedarf für eine Eisenbahnquerung zwischen Koblenz und Mainz
gäbe, hätte man die gesprengte Brücke zwischen Bingen und Rüdesheim schon längst wieder
aufgebaut. Deshalb hinkt Dein Beispiel "Trajekt" auch ganz gewaltig!

Noch ein schönes Wochenende wünscht
Hans-Peter
.
christoph
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Re: [OT] Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von christoph »

mmh, eigentlich ist hier der falsche Ort für eine Brückendiskussion. Also nur abschließend von meiner Seite hierzu: Ich wohne direkt am Rhein und sogar in einem Ort, wo wahrscheinlich die Autofähre wegfallen könnte. Ich bin ganz klar für die Brücke, wie auch die Mehrzahl hier im Tal. Es ist aber immer wieder spannend zu sehen, dass die Brückengegner fast alle außerhalb des Rheintals wohnen.

Man muss sich halt auch die Verkehrsrelationen anschauen. Nicht jeder, der z.B. die Autofähre von Boppard nach Filsen nimmt, fährt auch nach Filsen, sondern eine Vielzahl fährt weiter Richtung St. Goarshausen oder Taunus. So ergeben sich künftig eine Vielzahl von Relationen, wo man von Boppard über eine Brücke in St. Goar deutlich schneller ist als wenn man mit der Bopparder Fähre fahren würde.

Eine Brücke steht 24 Stunden ohne Wartezeit zur Verfügung. Eine Fähre kann dies niemals bieten. Gerade spät abends ist es am Rhein unheimlich toll, wenn man von der einen auf die andere Rheinseite will, man die letzte Fähre verpasst und dann einen Riesenumweg über Koblenz nehmen muss.

Brücken verbinden. Das kann man im Moseltal sehr genau beobachten, und es nicht einzusehen, warum dies im oberen Mittelrheintal nicht möglich sein sollte.
eta176
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Re: [OT] Mittelrheinbrücke vs. Welterbe

Beitrag von eta176 »

christoph hat geschrieben:Eine Fähre kann dies niemals bieten. Gerade spät abends ist es am Rhein unheimlich toll,
wenn man von der einen auf die andere Rheinseite will, man die letzte Fähre verpasst und
Für über 40.000.000 Euro (in Worten: 40 Millionen Euro) könnte man einen 24-Stunden-
Betrieb für die nächsten Jahrzehnte anbieten. (Nacht-)Fähren gehörten im Mittelrheintal
genauso bestellt und finanziert wie der Zug- und Regionalbusverkehr in Rheinland-Pfalz ...

Bitte an die Admin:
Bevor jemand an diesem Thread hier Anstoß nimmt, bitte ich um Verschiebung in die "weniger gefährliche"
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