213 hat geschrieben:Das kommt davon, wenn man an die Spitze der Bundesbahn einen Mann setzt, der nie mit der Bahn zu tun hatte.
Von Fritz Busch (1945) bis Heinz Dürr (1993) - an der Spitze der Bundesbahn gab es noch nie einen Eisenbahner.
Das mag ein Stück weit der Grund für z.T. vollkommen am Bedarf und dem Notwendigen vorbeigehende Unternehmensentscheidungen gewesen sein, gemeinsam war indes allen Bahn-Ägiden ab 1945, daß die wegweisenden Weichenstellungen in Bonn bzw. Berlin erfolgten.
Als 1966 Hans-Christof Seebohm nach 17 Jahren als Verkehrsminister aus dem Amt schied, hatte die Bahn ihren letzten ministerialen Fürsprecher verloren.
Ein paar Jahre vorher hatte er noch ein Gesetz im Bundestag durchbringen können, das dem ausufernden LKW-Verkehr begrenzte Tonnagen und Volumina vorschrieb.
Im Zuge der "EWG-Harmonisierungen" mußte diese bundesstaatliche Regelung wieder aufgehoben werden, ein früher Beweis dafür, wie sehr die Europäische Union an der Zerstörung gewachsener und bewährter Strukturen beteiligt ist.
Nicht erst seit "Maastricht".
Seebohms Nachfolger "Schorsch Leber" wollte zunächst noch mit seinem "Leber-Plan" viele Güter wieder auf die Schiene zurückholen, doch er scheiterte am Widerstand von CDU/CSU und FDP. Später wurde er zum Fan des Individualverkehrs und er beflügelte den Bundesfernstraßenbau.
Von ihm ist das Zitat überliefert:
"Kein Deutscher soll mehr als 20 km von einer Autobahn weg leben."
Unter den Nachfolgern des Leber-Nachfolgers Lauritzen, der nicht allzu viel bewegte, verlor ab 1974 die Bahn dann zunehmend ihre politische "Reputation", alle Bemühungen waren auf Verringerung des Defizites ( 15 Milliarden Mark) konzentriert um den Preis von Stillegungen, Rationalisierungen und Personalabbau.
In dieser Zeit änderte sich auch das Bewußtsein beim Personal.
Aus dem einst stolzen Eisenbahner wurde ein oft verspotteter "Ewiggestriger", der viel mehr kostet, als er nutzt.
In der Tat nahm sich ein von der Baureihe 64 gezogener Nahverkehrszug mit 3y-Wagen vor den modernen Autos in Modefarben aus wie ein Relikt aus einer vergangenen Epoche.
So nahm das Unheil seinen Lauf und bald wurden die weißen Flecken auf der bundesdeutschen Eisenbahnlandkarte immer größer...
Als "Kind" dieser Zeit, aufgewachsen unter vielen Eisenbahnern in der Familie, könnte ich ein Buch schreiben, wie sich damals auch manche Einstellungen verändert haben.
Augenfällig wurde das ganze -um nur ein Beispiel zu nennen- als mein Onkel Hennes, Eisenbahner mit Leib und Seele, der sich vom Assistenten bei der Reichsbahn bis zum BOAR in der ZTL Mainz hochgearbeitet hatte, im zarten Alter von 65 Jahren 1972 noch einmal ein Auto kaufte, nachdem er bis dahin immer nur Bahn und Bus gefahren war - schon aus Prinzip.
Begründung: "Wer weiß, wie lange hier im Ort noch Züge halten".
Die meisten haben damals geschmunzelt - schließlich handelte es sich um eine Hauptbahn!
Schon sechs Jahre später sollte er Recht behalten - der Bahnhof wurde aufgelassen.
Kleine Anmerkung am Rande:
Der letzte Zug verließ den Bahnhof zum Ende des Sommerfahrplanes 1978 abends gegen 21 Uhr.
An diesem Tag fand im Ort der Festabend zum 75-jährigen Bestehen des Männergesangvereines statt und niemand nahm davon Notiz, als der letzte Fahrdienstleiter Wilhelm Schäfer gegen 21.30 Uhr die Signale auf Fahrt stellte und die Bahnhofstür für immer schloß.